Mein wunderbarer Waschsalon

Ein Waschsalon ist ein kleiner Kosmos für sich.

Die große Fensterfront ist beschlagen, kleine Tropfen perlen an der Innenseite der Scheiben herab. Ein alter Mann raucht eine Zigarette vor dem Eingang, in seiner anderen Hand dampft der Automatenkaffee in einem braunen Plastikbecher.

Tack. Ich spüre wie der Sekundenzeiger meiner Uhr stehen bleibt und tauche in die nächsten Stunden ein.

Beim Öffnen der Tür schlägt mir diese Mischung aus Weichspülergeruch und verbrauchter Luft entgegen. Menschen sitzen und warten. Das meditative Drehen der Trommeln und die monotone Geräuschkulisse lassen meine Gedanken abdriften.

´In einer Yogastunde komme ich nicht mal halbwegs an diesen Zustand heran´ denke ich zufrieden und muss ein wenig Grinsen.

Die bunten Handtücher verschwinden in der riesigen Maschine. Zwei Knöpfe hat sie nur, die alte Lady, ihre Chromteile haben schon lange ihren Glanz verloren und das M von Miele ist kaum mehr lesbar, aber sie ist zuverlässig und beginnt ihre Runden zu drehen.

Von meiner Fensternische aus, versteckt hinter einem Buch in dem ich nur halbherzig lese, beobachte ich die Waschsalonkosmosbewohner.

Eine alte Dame und ihr Dackel sind zum Waschen von Bettdecken hier. Sicher sagt sie nicht Bettdecke sondern Plumeau dazu und sicher darf Seppl (ich schwöre dass sie ihn so nannte) darauf liegen. Sie beobachtet die Menschen genauso wie ich, aber freundlich offensiv anstatt subtil. Sie sucht das Gespräch und erzählt einem türkischen Mann, wie schrecklich sie die Ereignisse in Stuttgart findet.

Der indische junge Mann und sein Vater versuchen die Anleitung zu den Maschinen zu verstehen. Ratlos stehen sie vor der riesigen 12-Kilo-Maschine und versuchen sich gegenseitig zu erklären in welcher Reihenfolge welcher Knopf gedrückt werden muss. Der fremdartige Sing-Sang ist wunderschön und ich stelle mir vor dass gleich eine Horde wunderhübscher Inderinnen durch die Tür kommt um einen Bollywood-Tanz aufzuführen.  Schließlich verschwindet der riesige, wild gemusterte Wäscheberg in der Trommel und beginnt sich zu drehen, zufrieden lachen sich Vater und Sohn an.

Hinter einer Tageszeitung versteckt sich eine missmutig dreinschauende Dame. Sie sieht nicht aus als würde sie ihre Samstage normalerweise in einem Waschsalon verbringen. Sicher ist ihre Maschine zu Hause kaputt. Nach der ersten Wäsche scheint sie entspannt, das blütenweiße Laken beruhigt sie wohl.

Die beiden von mir belegten Trockner laufen langsam aus. Fast bin ich traurig diese kleine Welt verlassen zu müssen. Ich lege meine Handtücher zusammen, ziehe mir einen Automatenkaffee und öffne die Tür, zurück ins richtige Leben.

Tack. Der Sekundenzeiger meiner Uhr springt wieder an.

2 Antworten

  1. stadtkindFFM

    „Miele, Miele sagte die Tante, die alle Waschmaschinen kannte.“

    6. Oktober 2010 um 22:31

  2. NixZen

    🙂 erinnert mich an einem Tag in einem Waschsalon in Bayonne. Ca. 35 Grad bei 99% Luftfeuchtigkeit Draußen, Gewitterstimmung, dunkler Himmel, Surren in der Luft und dieser Waschsalon mit all seinen Gerüchen und den Geräuschen. Der Cola – Automat war „destroyed“ und bei der Feuchtigkeit in der Luft konnte die Wäsche trotz Trockner nicht trocknen. Es gibt lethargische Bilder von dem Tag.
    Jetzt sind sie wieder präsent.-)

    9. Oktober 2010 um 23:27

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